Wenn er abhebt, wird’s gefährlich für die gegnerischen Keeper. Abseits der Handballplatte steht Patryk Abram aber eher für Bodenhaftung und harte Arbeit. © Krüger

Wenn er abhebt, wird’s gefährlich für die gegnerischen Keeper. Abseits der Handballplatte steht Patryk Abram aber eher für Bodenhaftung und harte Arbeit. © Krüger

Patryk Abram ist ein Vorzeigesportler: Der Linksaußen der HSG Hunte-Aue Löwen arbeitet hart und stellt sich gern in den Dienst der Mannschaft. Der Barnstorfer legte einen ganz starken Saisonstart hin.

Barnstorf – Er ist hart zu sich selbst. Einer, den Spaziergänger an Wintertagen wie diesen schon mal fassungslos beim Schwimmen im klirrend kalten Goldenstedter See knipsen. Der vor seinen Handballspielen den ganzen Tag über nichts isst, „weil der Körper dann in den Überlebensmodus schaltet“, erklärt Patryk Abram: „Das ist wie früher bei den ersten Menschen: aufwachen, Hunger – jagen!“ Mit Kohldampf spürt der Linksaußen der HSG Hunte-Aue Löwen „mehr Ausdauer, mehr Aggressivität“ in sich. Dabei ist der 31-Jährige kein aggressiver Typ. Abram strahlt viel positive Energie aus, lacht oft, wenn er erzählt. Gelegentlich klingen aber Selbstzweifel beim aktuell zweitbesten Werfer des Verbandsliga-Zweiten durch.

Die bekämpft er mit Zusatzarbeit abseits des Feldes. „Handballerisch habe ich mich nie als großes Talent gesehen, also musste ich körperlich mehr tun.“ Schlauchende Extra-Einheiten im Kraftraum schob Abram schon in seiner Heimat. Sie verhalfen ihm in Polens Jugend-Nationalmannschaften und nährten seinen Studienwunsch: „Körpererziehung hieß das bei uns – mit dem Schwerpunkt: Kraft.“

Beim damaligen Drittligisten SG VTB/Altjührden, 2017 seine erste deutsche Station nach dem Wechsel vom polnischen Erstligisten Wybrzeze Gdansk (Danzig), fielen diese Kompetenzen dem Trainerteam auf. „Also habe ich dort das Kraft- und Athletiktraining übernommen.“

Drei Jahre blieb Abram in Altjührden, ehe er sich 2020 den Löwen anschloss. Seitdem arbeitet er im Schulverbund Freistatt als Integrationshelfer, später nahm er ein Pädagogikstudium auf. Den Bachelor hat er seit Sommer in der Tasche.

Parallel dazu startete der Barnstorfer ganz stark in die aktuelle Verbandsliga-Saison, warf in den ersten fünf Spielen 39 Tore. „Ich habe mehr Bälle von den Jungs bekommen, weil sie mir vertrauten. Jeder Außenspieler lebt von dem, was er aus dem Rückraum kriegt.“ Doch in der sechsten Partie gegen den VfL Fredenbeck II waren es „nur“ vier Treffer. „Da habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“ Die Achillessehnenbeschwerden aus der Serie 2021/22, als er mit den Löwen aus der Oberliga abstieg, meldeten sich zurück.

Aber der unnachgiebige Kämpfer trainierte weiter und setzte sich für die Spiele auf die Bank. „Für mich wäre das Schlimmste, wenn ich den Jungs nicht helfen könnte – nicht mal durch Ansagen, ohne natürlich die Autorität der Trainer anzugreifen.“ Zudem flitzt er trotz seiner Schmerzen als Siebenmeterschütze zum Strafwurf-Strich, weil Spielertrainer Marko Pernar wegen seiner Knieverletzung fehlt. „Ich hatte zwar seit der D-Jugend keine Siebenmeter geworfen, aber wenn ich lange warte, bis sich der Keeper bewegt, gehen die Bälle meistens rein“, hat er aus seinen Video-Studien erkannt. In kritischen Phasen kurbelt Abram zudem das Spiel über links an, packt in der Abwehr zu und zieht die Gegenangriffe.

Dann kann es schon mal vorkommen, dass der Linksaußen im linken Rückraum auftaucht. Also dort, wo er seit Kindertagen für seinen Heimatverein Nielba Wagrowiec und im Danziger Handball-Internat auflief. „Aber in der U 16-Nationalmannschaft meinte der Trainer, ich wäre wegen meiner Sprungkraft als Linksaußen besser aufgehoben.“

Patryk Abrams Metamorphose begann. Sie führte ihn als 19-Jährigen aus der Jugend zu Zweitliga-Aufsteiger Wybrzeze Gdansk. Mit den Danzigern stieg er nicht nur in die erste Liga auf, in der Stadt an der Ostsee lernte er auch die Liebe seines Lebens kennen. Ehefrau Alicja begleitete ihn nach Altjührden und nach Barnstorf, zum erst vierten Club in der Laufbahn des treuen Linksaußen. Viel mehr sollten nicht dazukommen, hofft Abram. „Ich würde gern meine Karriere bei den Löwen beenden.“