Quelle: Kreiszeitung vom 8.7.22 (Malte Rehnert)

Marko Pernar ist neuer Spielertrainer des Handball-Verbandsligisten HSG Hunte-Aue Löwen. Der 29-Jährige, vorige Saison viertbester Werfer der Oberliga, hat nach dem Abstieg seines Teams viele Ideen – aber er ist auch etwas nervös. Das große Interview:

Barnstorf – Dieser Artikel wird ganz bestimmt wieder in Marko Pernars Briefkasten landen. Wann immer etwas über den Handballer der HSG Hunte-Aue Löwen in dieser Zeitung steht, wirft eine nette Nachbarin die entsprechende Lokalsport-Seite prompt durch den Schlitz. Wie schon vorige Woche, als feststand, dass der 29-jährige Mittelmann neuer Spielertrainer beim Oberliga-Absteiger und somit der „Oberlöwe“ wird. Im Interview spricht Pernar – der Nachfolger von Heiner Thiemann als Coach – über seine Doppelrolle beim Verbandsligisten, seine Vergangenheit in Serbien und einen runden Geburtstag, den er gleich zweimal feiert.

 

Herr Pernar, im August werden Sie 30 Jahre alt. Wissen Sie, was das bedeutet?
Ja, Ja, ich weiß (lacht). In Deutschland muss man dann fegen, wenn man nicht verheiratet ist. Da freue ich mich schon drauf (verzieht das Gesicht), das mache ich natürlich gerne . . .

Gibt es in Ihrem Geburtsland Serbien auch solche Bräuche?
Nein, wir feiern diesen Geburtstag anders. Man lädt die ganze Familie und Freunde ein – und dann gibt es Spanferkel.

Wo werden Sie feiern?
An meinem Geburtstag bin ich in Serbien, in Barnstorf holen wir das später nach.

In Ihrer Heimat waren Sie einst in der ersten Liga aktiv, für serbische U-Nationalmannschaften haben Sie unter anderem zwei Europameisterschaften bestritten. Warum hat es mit einer Profikarriere dennoch nicht geklappt?
Sechs Monate habe ich bei Roter Stern Belgrad unter Nenad Perunicic (ehemaliger Handballstar, unter anderem beim THW Kiel, d. Red.) gespielt. Das war eine gute Erfahrung, aber zu früh für mich. Plötzlich sitzen da 2 000 Zuschauer und machen richtig Alarm, der Druck war zu groß für mich. Und dann hieß es auch noch oft: ,Du bist zwar schnell, aber zu klein. Wir wollen größere Spieler‘ (Pernar ist 1,80 Meter groß).

Wie hart war das für Sie?
Ich habe lange davon geträumt, ganz hoch zu spielen. Mein Vater war auch Trainer, wir sind jeden Sonntag zum Extra-Training in die Sporthalle gegangen. Er musste mich nicht motivieren, ich wollte das. Meine Eltern haben mich immer total unterstützt. Aber ich habe irgendwann gemerkt: Es geht nicht, es reicht nicht. Das war schwer zu akzeptieren.

Statt Profihandballer zu werden, setzten Sie nach einer zweijährigen Pause Ihr Studium an der „Fakultät für Sportwissenschaft und Körperhaltung“ in Novi Sad fort und erwarben mit dem Bachelor auch die Lizenz, in Serbien einen Erstligisten trainieren zu dürfen. Aber Sie wurden erst mal kein Coach, sondern wechselten nach Barnstorf. Wie kam es dazu?
Stefan Beljic hat mir erzählt, dass sie hier einen Spieler brauchen. Wir kannten uns aus Serbien, haben dort mal ein Jahr zusammengespielt. Im April 2018 war ich eine Woche hier, die Barnstorfer sagten: ,Das sieht gut aus, wir wollen dich haben.‘ Im August bin ich dann komplett hergekommen, auch wegen der Aussicht auf einen Job. Der Start war insgesamt allerdings schwierig.

Warum?
Mein Studium war noch nicht ganz abgeschlossen. Ich musste mehrfach hin- und herfliegen. Wenn mein Professor schrieb, dass am Donnerstagmorgen ein Test ansteht, habe ich schnell meine Koffer gepackt und bin nach Serbien gereist. Außerdem habe ich zu Beginn wenig gespielt, konnte kein Wort Deutsch. Da habe ich überlegt, zurückzugehen. Alle sagten, dass es im ersten Jahr eben so ist. Dass man sich einleben und zurechtfinden muss. Dass es besser wird. Und genau so war es.

Die vergangene Saison war – trotz des bitteren Abstiegs am Ende – wohl Ihre beste bei der HSG. 153 Tore, der viertbeste Wert der gesamten Oberliga. Das hat Sie auch für andere Vereine interessant gemacht. Wie konkret waren die Angebote?

Ein Oberligist wollte mich unbedingt haben. Ich habe mit den Verantwortlichen gesprochen und mir dort alles angeschaut. Insgesamt war es richtig gut.

Aber?
Ich hätte hier alles verlassen müssen. Und ich habe hier inzwischen richtig gute Freunde. Hier weiß ich, was ich habe und wie es läuft. Weil ich auch noch die C-Jugend trainiere und gerade eine Handball-AG anbiete, sprechen mich in Barnstorf sogar hin und wieder Kinder auf der Straße an. Das ist einfach schön. Und Heiner und Lasse Thiemann (Sportlicher Leiter und Geschäftsführer der Löwen) haben mir klargemacht, dass sie sich sehr wünschen, dass ich bleibe. Das zeugt von Wertschätzung und Respekt – und es hat mir neue Motivation verliehen. Auch, dass ich einen Vertrag über drei Jahre bekommen habe, ist ein starkes Zeichen. Heiner ist ohnehin ein ganz besonderer Mensch. Er hat mir so viel geholfen und ist immer da, wenn ich etwas brauche. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich bin einfach froh über die Chance, die ich hier bekomme. Ich habe Bock, etwas zu entwickeln. Und ich denke, das wird ganz gut.

Ich mache am Wochenende viel Krafttraining. Das lohnt sich. Vor etwa einem Jahr habe ich damit angefangen – und seitdem spiele ich gut.

Marko Pernar mit einem Schmunzeln über sein Zusatzprogramm

Sie bekommen nun als Spielertrainer mehr Verantwortung, müssen den Spagat zwischen Teamkollege und Coach hinbekommen. Und dann ist es auch noch Ihre erste Station als Coach im Herrenbereich. Nervös?
Ja, schon. Als Heiner mir von der Idee erzählte, habe ich in der Nacht danach überhaupt nicht geschlafen – weil ich mir schon viele Gedanken gemacht habe, wie ich es angehen würde. Spieler und Trainer zu sein, ist schwierig. Ich gebe mir alle Mühe, damit es klappt. Für meinen Start ist es vielleicht gar nicht schlecht, eine Klasse tiefer zu beginnen. Einen Schritt zurück gehen, eine gute Mannschaft bauen – und dann wieder angreifen. Der Verein gehört in die Oberliga.

Wenn Sie selbst spielen, fehlt Ihnen der Blick von außen. Wie wollen Sie diesen Nachteil ausgleichen?
Denis Maksimovich macht als Co-Trainer weiter. Das freut mich sehr. Und ich brauche auch jemanden auf der Bank, der sagt: ,Marko, das läuft nicht. Lass uns etwas anderes probieren.‘ Zudem ist geplant, dass ich nicht in der Abwehr spiele. Dann kann ich einiges von der Seitenlinie sehen und Einfluss nehmen. Denis und Heiner sind die Experten für die Abwehr, der Angriff ist mein Fach. Wir sind ein Team.

In der Abstiegssaison lief vieles schief. Wo setzen Sie die Hebel an?
Man kann es so sagen: Wir müssen so spielen, als wenn wir fast keinen Trainer bräuchten. Die Kommandos müssen sitzen, die Spielideen noch mehr intensiviert, erweitert und automatisiert werden. Jeder muss genau wissen, was er zu tun hat – und warum. Momentan sind wir in der ersten Vorbereitungsphase: Kein Ball, dafür Laufen und viel Krafttraining, damit nicht nach zwei, drei Klimmzügen Schluss ist (lacht). Und mehr Prävention, etwa durch Stabi-Übungen, um nicht so verletzungsanfällig zu sein. Das aktuelle Ziel ist, dass alle fit werden.

Seine Hobbys: Mystery-Bücher und Aktien

Marko Pernar wurde im serbischen Sremska Mitrovica geboren. Seine Mutter ist Serbin, sein Vater Kroate – deshalb besitzt der 29-Jährige beide Staatsbürgerschaften. Die Familie lebt in Sid, Pernar spielte in seiner Heimat in der ersten Liga für Roter Stern Belgrad und Spartak Subotica. 2018 kam er nach Barnstorf, lebte zunächst mit Teamkollege Stefan Beljic in einer WG – in dem Haus, wo einst der frühere HSG-Top-Handballer Juri Gordionok wohnte. Vor etwa drei Jahren ist Pernar ins Nachbargebäude gezogen. Seine Freundin Jovana hat in Serbien gerade ihr sechsjähriges Medizinstudium abgeschlossen. „Mit höchsten Noten“, sagt Pernar. Sie arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus, er (ausgebildeter Sportlehrer) ist Unterrichtshelfer im Schulverbund Freistatt. „Ich hoffe, dass sie dann Anfang nächsten Jahres zu mir nach Deutschland kommen kann“, erzählt Pernar. Bis dahin verbringt der Rechtshänder seine Freizeit vor allem mit Handball und Lesen – gerne italienische Mystery-Bücher und „viel über Aktien. Ich habe selbst auch welche“.

Und das nächste?
In der zweiten Phase ab Mitte August werden wir ein bisschen was in der Abwehr verändern. Wir haben zu viele Gegentore kassiert, obwohl wir sehr gute Torhüter haben. Außerdem möchte ich vor Spielen Videoanalysen der Gegner machen und noch mehr Siegermentalität reinbringen – das brauchen wir. Ich lese viel über mentales Training und Trainingssteuerung und habe eine Mappe, in die ich alles reinschreibe – auch Tipps oder Übungen von erfahrenen Trainern.

Der Umbruch ist ein großes Thema bei den Löwen. Wie packen Sie den an?
In der A-Jugend gibt es richtig viel Potenzial. Spieler, die weit oben spielen können. Aber die brauchen noch mehr Unterstützung. Die Talente sollen Spaß haben, sich weiterentwickeln können und eine Perspektive im Verein haben. Wir wollen eine gute Balance finden aus älteren Spielern, die wir natürlich weiterhin brauchen, und jüngeren, die bei uns mittrainieren oder auch mal spielen. Die jungen Spieler sollen Vertrauen in mich haben und nicht nach zwei Jahren weggeschickt werden. Um enger zusammenzurücken, werden wir teilweise mit der Zweiten und der A-Jugend trainieren. Es soll durchlässiger werden. Aber ich werde hier jetzt nicht alles verändern.

Wen ziehen Sie aus dem Nachwuchsbereich hoch?
Wir haben aktuell zwei Jungs im Auge. Demnächst werden wir entscheiden, was das Beste für sie ist. 60 Minuten in der Zweiten spielen oder bei uns trainieren und spielen, wenn sich die Chance ergibt.

In Prozent: Wie komplett ist der Kader schon?
80, würde ich sagen. Nach den Sommerferien soll er endgültig stehen. Ein Linkshänder für den rechten Rückraum wäre noch gut – und wir brauchen einen Kreisläufer. Da gibt es Gespräche und Kandidaten.

Mit welchem Ziel gehen Sie in die Verbandsliga?
Dazu kann ich erst in der zweiten Vorbereitungsphase etwas Genaueres sagen, zumal ich die neue Liga noch gar nicht kenne. Fakt ist: Wir haben viel Qualität. Wenn alles so umgesetzt werden kann, wie ich es mir vorstelle, mache ich mir keine Sorgen. Dann werden wir eine gute Rolle spielen – ein Platz unter den ersten Drei wäre möglich. Man muss ambitioniert sein und Ziele haben.

Harter Hund oder Kumpel: Was sind Sie für ein Trainertyp?
Ich bin jemand, der beim Training klar sagt: Das muss so und so gemacht werden. Und wenn es nicht klappt, machen wir es 100-mal. Da habe ich deutliche Vorstellungen. Bei Spielen bin ich ganz ruhig und unterstütze statt rumzuschreien. Ich bin keiner, der die Spieler runtermacht, wenn sie mal einen schlechten Tag haben – denn ich brauche sie ja die ganze Saison.

Aber was muss passieren, damit Sie mal richtig laut werden?
Dazu können mich die Spieler nicht bringen, nur die Schiedsrichter (lacht).