Quelle: Kreiszeitung vom 7.5.22 ( Malte Rehnert)

Die „Löwinnen“ Svenja Gatzemeier und Carla Klostermann hören nach dem Aufstieg in die Oberliga auf. Zu ihrem Abschied verraten die beiden Handballerinnen der HSG Hunte-Aue, was sie gegen ihre Nervosität bei der Verabschiedung in der vollen Halle getan haben, was sie dazu bewogen hat, die aktive Laufbahn zu beenden und was für sie die Highlights in ihrer Karriere gewesen sind.

Barnstorf/Diepholz – Im Mittelpunkt, sagen Svenja Gatzemeier und Carla Klostermann in fast identischem Wortlaut, stehen sie nicht so gerne. Als nach dem letzten Landesliga-Heimspiel gegen Osterfeine die Verabschiedung anstand, mussten die beiden 27-Jährigen erst mal ihre Nervosität bekämpfen. „Bevor wir zum Einlaufen wieder rauskamen, haben wir drei Kurze getrunken“, verriet Gatzemeier: „Darf ich das überhaupt so sagen?“ Sie darf – denn es ist doch sympathisch. Mehr als 20 Jahre haben die Zwei Handball gespielt. Torhüterin Gatzemeier zunächst in Diepholz, Linksaußen Klostermann in Barnstorf – und ab der C-Jugend gemeinsam für die HSG, die inzwischen Hunte-Aue Löwen heißt. Doch nun ist Schluss: Die Super-Saison mit vorzeitiger Meisterschaft und Oberliga-Aufstieg ist die letzte für Maschinenbauingenieurin Gatzemeier und Industriefachwirtin Klostermann. Im Doppel-Interview blicken sie zurück auf ihre Karrieren – und voraus auf das, was danach kommt.

Mit ein wenig Abstand: Wie haben Sie Ihre Verabschiedung wahrgenommen?

Svenja Gatzemeier: Es war sehr gut gemacht und hat mich bewegt – aber es ging noch, ich hatte es heftiger befürchtet. Es mag daran liegen, dass ich mit mir und meiner Entscheidung im Reinen bin.

Carla Klostermann: Es war ein super-schöner Abend mit Familie, Freunden und allen Zuschauern. Schade aber, dass meine alte Crew aus unterschiedlichen Gründen nicht dabei sein konnte. Mit Larissa Gläser und Aileen Greiner habe ich seit der Jugend zusammengespielt.

Kapitänin Lea Hillmer hat Sie in ihrer Rede als „zwei absolute HSG-Legenden“ bezeichnet. Wie hörte sich das für Sie an?

Gatzemeier: Es gibt bei der weiblichen HSG viele Legenden, die viele Erfolge gefeiert haben. Das gesamte Team ist eher eine Legende.

Klostermann: Ich würde das so nicht unterschreiben . . . Aber Lea hat das toll gemacht. Ich schätze sie als Menschen sehr, ihre Worte waren super und passend. Und es gibt keine, die für den Kapitäns-Posten besser geeignet ist.

Ihre Mannschaft stürzt sich bald ins Abenteuer Oberliga. Hat Sie das nicht gereizt?

Gatzemeier: Nö. Wie gesagt, meine Entscheidung fühlt sich richtig an. Klar ist es immer geil, vor so vielen Leuten zu spielen. Dass es nun bald nicht mehr so ist, werde ich wohl erst nächste Saison richtig begreifen, wenn ich nur noch Zuschauerin bin.

Klostermann: Vor ein paar Jahren hätte es mich vielleicht gereizt, jetzt nicht mehr. Ich habe vor allem immer gerne Handball gespielt wegen der tollen Mannschaften – und nicht so wegen des sportlichen Ehrgeizes. Deshalb habe ich auch nie ein anderes Angebot angenommen, sondern bin die ganze Zeit hier geblieben. Jetzt aufzuhören, ist richtig. Ich freue mich freizeittechnisch auf etwas Neues. Nach so vielen Jahren Handball und Verpflichtungen liegen jetzt andere, aber schöne Zeiten vor mir.

Aus welchen Gründen hören Sie mit 27 Jahren auf?

Gatzemeier: Ich hatte 2011 und 2017 Kreuzbandrisse im linken und rechten Knie, 2019 links dann noch eine Verletzung am Meniskus, der mir komplett rausgenommen wurde. Das ist schon eine Einschränkung im Kniebereich. Und ich bin quasi nie ohne Schmerzen aus dem Training gegangen, es ist mir immer schwerer gefallen. Ich habe einfach keinen Bock auf noch eine Verletzung. Außerdem ist mir in der Corona-Zeit bewusst geworden, dass es mir gut gefällt, nicht mehr dieses Verpflichtende zu haben – dreimal pro Woche Training plus Spiel: Das ist ein hoher Aufwand, den ich nicht mehr betreiben möchte. Der Zeitpunkt, um aufzuhören, ist mit dem Aufstieg nicht der schlechteste. Ich hatte selten so viel Spaß wie in dieser Super-Truppe.

Klostermann: Durch die Abstoppbewegungen blockiert oft mein Sprunggelenk – und die Schmerzen ziehen hoch bis ins Knie. Ich denke, das wird sich noch ein bisschen hinziehen. Die Verletzung ist aber nicht ausschlaggebend. Auch ich habe in der Pandemie gemerkt, dass mir der Handball gar nicht so doll fehlt – und es viele andere schöne Sachen gibt. Spontan sein, die Wochenenden frei haben – das werde ich genießen. Wenn ich etwas mache, dann richtig. Und ich stehe nicht mehr zu 100 Prozent hinter dem Handball.

Ist für Sie eine Rückkehr als Aushilfe oder später ein richtiges Comeback denkbar?

Gatzemeier: Man soll nichts ausschließen. Keine Ahnung, was in drei Jahren ist. Und wenn personeller Notstand herrscht, sollen sie mich in Gottes Namen anrufen . . . Wenn ich dann Zeit habe, bin ich da. Aber ich muss eben nicht – das ist ein Luxus, auf den ich mich freue.

Klostermann: Wenn ich körperlich fit bin und gebraucht werde, bin ich die Letzte, die nicht einspringt. Eher könnte ich mir allerdings vorstellen, nach einer gewissen Pause noch mal voll einzusteigen. Momentan sehe ich mich dort aber nicht.

Was trauen Sie Ihrer Noch-Mannschaft in der Oberliga zu?

Gatzemeier: Für ganz oben reicht es, glaube ich, nicht. Aber das obere Drittel ist auf jeden Fall drin – bei diesem Kader und diesem Zusammenhalt.

Klostermann: Der Klassenerhalt sollte drin sein – ich halte einen Platz im Mittelfeld für realistisch. Wenn die Mannschaft richtig gefordert wird, kann sie noch mal ganz anders Leistung bringen. Sie haben Ambitionen, haben Bock – und können einiges erreichen.

Was werden Sie am meisten vermissen?

Gatzemeier: Das Team ist ja nicht weg, mit vielen mache ich auch privat einiges. Für mich ist es das Gefühl, nach einem Spiel total kaputtgekämpft in der Kabine zu sitzen und zu feiern.

Klostermann: Die Mannschaft. Das Miteinander. Den Spaß beim Training. Mit einigen werde ich aber sowieso privat in Kontakt bleiben.

Welche waren – neben dem nun geschafften Sprung in die Oberliga – die größten Highlights Ihrer Karriere?

Gatzemeier: Unser Aufstieg damals in die Landesliga 2018 am letzten Spieltag. Er kam überraschender als der jetzt und hatte deshalb eine andere Emotionalität. Und dass wir 2018 bei der Sportlerwahl „Mannschaft des Jahres“ geworden sind, war definitiv auch ein Höhepunkt.

Klostermann: 2015 waren wir vor dem letzten Spieltag Dritter, haben dann gegen Meister Osnabrück gewonnen und sind mit aufgestiegen in die Landesliga. Das kam total unerwartet und wurde entsprechend gefeiert. Und der Titel „Mannschaft des Jahres“ gehört auch bei mir dazu – für mich ist diese Auszeichnung viel, viel wichtiger als mein dritter Platz in der Einzelwertung 2019. Es ist ein schönes Gefühl, wenn die Mannschaft im Fokus steht – deshalb habe ich den Mannschaftssport immer gemacht. Ohne ihn wäre ich nicht die Person, die ich bin – weder beim Handball noch menschlich.

Wie sieht demnächst Ihr Leben ohne Handball aus?

Gatzemeier: Wir sind eine Feuerwehrfamilie durch und durch. Im Alter von drei Wochen war ich zum ersten Mal beim Kreisjugendfeuerwehrzeltlager dabei (schmunzelt). Diesem Hobby werde ich mich nun noch mehr widmen, zumal ich seit Beginn des Jahres Gruppenführerin bei der Diepholzer Feuerwehr bin. Ich habe dann auch ein, zwei Stunden mehr Zeit für meinen Gemüsegarten – demnächst sind die Tomaten dran. Und ich heirate Ende Oktober meinen Freund Rico.

Klostermann: Im Sommer wollen meine Freundin Denise und ich drei Wochen nach Norwegen und dort mit dem Bus meiner Patentante herumreisen. Denise spielt Oberliga-Handball in Bielefeld und zieht nun auch einen Schlussstrich. Nun wollen wir raus in die Welt. Eines meiner Traumziele sind noch die Kapverden, da ist es nicht so überlaufen.

Suchen Sie sich nun eine andere Sportart?

Gatzemeier: Aktuell bin ich einfach glücklich über mehr Freizeit. Im Sommer findet man mich dann täglich im Diepholzer Freibad. Ein bis zwei Kilometer Schwimmen sind Standard – mal morgens um sechs Uhr, mal nach der Arbeit.

Klostermann: Ich spiele wieder Squash, das ist auch eine meiner Leidenschaften. Während der Pandemie hat mich Dennis Jensen (Spielertrainer des 1. SC Diepholz, d. Red.) einmal pro Woche über den Court gescheucht (schmunzelt). Das mache ich aber nur just for fun. Rennrad fahre ich auch gerne. Und ich gehe Laufen – alles draußen an der frischen Luft.

Zum Abschied haben Sie zwei Geschenke vom Verein bekommen. Wie oft werden Sie Ihre Heimspiel-Dauerkarte nutzen?

Gatzemeier: Immer, wenn ich Zeit habe, schaue ich vorbei. Ist doch klar.

Klostermann: Ich werde mir die Termine – anders als in den vergangenen Jahren – nicht mehr alle im Kalender notieren. Wenn es passt, bin ich sehr gerne da und feuere von der Tribüne aus an.

Und wohin hängen Sie Ihr eingerahmtes HSG-Trikot?

Gatzemeier: Im Wohnzimmer ist es gut aufgehoben. Dort haben wir frisch renoviert – und da ist genug Platz.

Klostermann: Das muss ich mir noch überlegen – vielleicht übers Bett. Oder ins Büro. Mal schauen.