Quelle: Sascha Klahn

Eine Neuerung beim Kopftreffer, die Einführung einer Anwurfzone und eine Anpassung beim passiven Spiel: Der Handball-Weltverband IHF greift sechs Jahre nach der letzten großen Weichenstellung erneut in das Regelwerk ein. Insgesamt vier vom IHF-Kongress beschlossenen Änderungen an den Handball-Regeln werden zum 1. Juli 2022 in Kraft treten. Während die Anwurfzone gerade im Amateurbereich eine Herausforderung darstellen dürfte, wird eine Änderung in Deutschland keine Anwendung finden. Die Liqui Moly Handball Bundesliga plant zusätzlich allerdings die Einführung des Auszeit-Buzzers.



Die wohl am einfachsten verständliche Neuregelung: Die erlaubte Passanzahl beim passiven Spiel wird reduziert. Nachdem die Schiedsrichter den Arm gehoben haben, sind ab Sommer nur noch vier Pässe gestattet; bereits der fünfte Pass wird abgepfiffen. So sollen die teilweise sehr langen Spielphasen, die sich durch die bislang erlaubten sechs Pässe ergeben, verkürzt werden.

Der Deutsche Handballbund begrüßt diese Änderung ausdrücklich. „Das ist eine sinnvolle Maßnahme“, betont Kay Holm. Der Schiedsrichter-Lehrwart rechnet nicht mit Problemen bei der Umsetzung: „Die Mannschaften werden sich etwas einfallen lassen; ich vermute, dass es nach Freiwürfen zu schnellen Abschlüssen kommt. Darauf müssen unsere Schiedsrichter natürlich gefasst sein, aber ansonsten ist es kein gravierender Einschnitt.“

Denn anders als es die Befürworter einer Shotclock in der immer wieder neu aufflammenden Debatte fordern, bleibt es auch weiterhin eine Ermessensentscheidung der Unparteiischen, wann sie den Arm heben. Mit den Schiedsrichtern des Deutschen Handballbundes will Holm das passive Spiel dennoch auf dem Sommerlehrgang intensiv besprechen.

„Wir wollen das Thema Spielverschleppung genauer definieren“, erklärt er. „Um die Abwehr für gute Arbeit zu belohnen, was das Ziel der Regel ist, müssen unsere Schiedsrichter aus spieltaktischer Sicht noch besser erkennen, wann es sich tatsächlich um einen passiven Angriff handelt.“

Einführung der Anwurfzone

Die zweite Regeländerung – die Einführung eines als Anwurfzone bezeichneten Mittelkreises – wird sich ebenfalls auf die Spieltaktik auswirken. „Das Spiel wird viel schneller, die Ausführung des Anwurfs einfacher für die angreifende Mannschaft“, fasst Holm zusammen.

Der große Unterschied: Anders als bislang muss der Spieler den Anwurf nach einem Tor nicht mehr mit einem Fuß auf der Mittellinie stehend ausführen – die Ausführung darf innerhalb der Anwurfzone (Durchmesser: vier Meter) in der Bewegung erfolgen.

Während in den Bundesligen aus Werbezwecken bereits oft ein Kreis an der Mittellinie existiert, stellt diese Regeländerung gerade den Amateurhandball vor eine Herausforderung – die Handballfelder in den (Schul-)Turnhallen der Republik haben in der Regel keinen Mittelkreis. „Wir wollen im Breitensport pragmatische Lösungen schaffen“, betont Holm.

So soll es möglich sein, den Mittelkreis durch Klebeband anzudeuten oder einen eventuell vorhandenen Mittelkreis eines Basketballfeldes zu verwenden; auch, wenn die Abmessung nicht zu hundert Prozent stimmt. „Die Hauptsache ist, dass eine wie auch immer geartete Flächenlösung geschaffen wird“, sagt Holm. „Den Anwurf mit einem Fuß auf der Mittellinie wird es nicht mehr geben. Wir werden die Regel einheitlich durch alle Ligen durchsetzen.“

Der Bundesrat des Deutschen Handballbundes hat bei seiner Sitzung Mitte Mai grünes Licht für diesen pragmatischen Ansatz gegeben: In den Landesverbänden und deren Untergliederungen werden „bereits vorhandene Kreise in der Mitte der Mittellinie, die einen Durchmesser von drei bis vier Meter haben, als Anwurfzone anzusehen“ sein, teilte der Verband mit (hier nachzulesen). „Bei nicht vorhandenen Kreisen ist eine entsprechende Fläche zu kennzeichnen. Dabei ist weder ein vollständiger Kreis noch eine vollständige Fläche erforderlich.“

Neuerung beim Kopftreffer

Auch die dritte Regeländerung wird in allen Spielklassen kommen: Ab der kommenden Saison kann ein Spieler, der aus einer freien Spielsituation ungehindert wirft und den Kopf des Torwarts trifft, hinausgestellt werden. „Wir wollen die Gesundheit der Keeper schützen, daher befürworten wir die Änderung“, sagt Holm.

Das entscheidende Kriterium für die Anwendung der Regel ist eine freie Spielsituation, die gemäß Regelwerk vorliegt, „wenn sich zwischen dem Werfer und dem Torwart kein Verteidiger befindet.“ In der Praxis dürften es aufgrund der Dynamik des Spiels jedoch auch einige knappe Entscheidungen geben. „Das ist sicherlich eine Schwierigkeit an dieser Regel“, weiß auch Holm. „Wir werden die Schiedsrichter mit vielen Videoszenen darauf vorbereiten, damit sie Bilder im Kopf haben. Allerdings wissen wir auch, dass es schon bisher nicht die große Menge an Situationen war.“

Unberührt von der Regeländerung bleibt die Disqualifikation für Kopftreffer bei einem Siebenmeter oder direkten Freiwurf. „In dieser ruhenden Situation trägt der Schütze ganz klar die Verantwortung, da halte ich die rote Karte für gerechtfertigt“, sagt Holm. „Dass es für Kopftreffer aus dem Spiel heraus, wo Faktoren wie Tempo und Gegenspieler hinzukommen, ein geringeres Strafmaß gibt, ergibt aus meiner Sicht aber auch Sinn.“

Buzzer ja, Ballgrößen nein

Die vierte und letzte Regeländerung des Handball-Weltverbandes wird für Deutschland hingegen nicht greifen. Das internationale Regelwerk erlaubt künftig abweichende Normen für harzfreie Bälle – in der Logik des Weltverbandes gleichbedeutend mit selbstklebenden Bällen. Diese dürfen kleiner und leichter sein als es den aktuellen Ballgrößen entspricht.

Während die Juniorinnen-Weltmeisterschaft im Sommer komplett mit den selbstklebenden Handbällen gespielt werden soll, wird das in Deutschland vorerst nicht der Fall sein. „Im Spielbetrieb werden weiter Handbälle in den bekannten und aktuell gespielten Größen verwendet“, stellte der DHB nach der Sitzung des Bundesrats klar. „Das neue Ballreglement der IHF wird damit auf DHB-Ebene vorerst nicht umgesetzt.“ Stattdessen wolle man eine Arbeitsgruppe einsetzen, die sich mit dem Umgang mit harzfreien Bällen beschäftigt.

Zusätzlich zu den Änderungen im Regelwerk wird in der LIQUI MOLY HBL zum Saisonstart der Auszeit-Buzzer die Grüne Karte ersetzen, die 2. HBL zieht im Winter nach. Die Frauen-Bundesligen folgen hingegen nicht. „Der Buzzer ist mit der Spielzeit gekoppelt, sie stoppt automatisch, sobald er betätigt wird“, umreißt Holm die Vorteile. „Das macht es für Zeitnehmer, Sekretäre sowie Delegierte einfacher. Viele bislang kritische Situationen rund um das Team-Timeout und die Spielzeit wird es dadurch nicht mehr geben.“ Die Einführung des Buzzers soll offiziell Anfang Juli von der HBL beschlossen werden.