Quelle: Kreiszeitung vom 31.5.22
Die Hunte-Aue Löwen wollen den Abstieg aus der Handball-Oberliga für einen Neuanfang nutzen. Der Kader soll in der Verbandsliga verjüngt werden. Ein echter Leistungsträger bleibt der HSG auch eine Liga tiefer erhalten. Ist nun der direkte Wiederaufstieg das Ziel? Der scheidende Trainer Heiner Thiemann bezieht Stellung.
Barnstorf – Am Wochenende sind die Handballer der HSG Hunte-Aue Löwen auf Mannschaftsfahrt im „Dorf Münsterland“, einem Party-, Event- und Freizeitpark im nordrhein-westfälischen Legden. „Schön, dass richtig viele Leute dabei sind“, meinte Kapitän Cedric Quader – allerdings hatte er diesen Satz fallen lassen, bevor der Oberligist sein letztes Saisonspiel beim TuS Haren verlor (26:29) und damit als Absteiger feststand. Die Stimmung dürfte also ein wenig gedrückt sein. Wegen des sportlichen Niederschlags, aber auch wegen der vielen Abschiede von überwiegend wichtigen Spielern. Quader verlässt das Team ebenso wie Jan Linne, Kevin Heemann, Frederik Hohnstedt und Luis Varela.
Der Kader soll verjüngt werden
Bei all den Abgängen ist es logisch, dass sich die Mannschaft, die künftig nur noch in der Verbandsliga an den Start geht, erheblich verändert. Die Löwen wollen nun bei der Kadergestaltung primär auf den Nachwuchs setzen. Und das, finden die Verantwortlichen, sei in der Verbands- wohl leichter als in der Oberliga. „Natürlich ist unser Abstieg ärgerlich, aber er bietet auch eine Chance, die wir beim Schopfe packen wollen“, betont HSG-Geschäftsführer Lasse Thiemann und fügt an: „Wir müssen jetzt den Umbruch schaffen.“
Zu viele Unentschieden, zu wenig Tore aus dem Rückraum
Seit dem 9. März (25:23 in Elsfleth) haben die Hunte-Aue Löwen in der gerade für sie beendeten Saison der Handball-Oberliga kein Spiel mehr gewonnen. Satte elf Partien in Folge sind es gewesen! Insgesamt gelangen nur vier Siege. Dass am Ende der Abstieg in die Verbandsliga steht, überrascht deshalb nicht. Aber warum lief diese Serie, nicht nur wegen einiger Corona-Schwierigkeiten, so schlecht für die Löwen? Die Hauptgründe:
Die Personalsituation: Mal wieder hatten die Löwen zwischendurch arge Probleme. Kamil Chylinski, der sich laut Trainer Heiner Thiemann gerade einer erneuten OP am Bein unterziehen musste, machte kein einziges Spiel. Die Leistungsträger Patryk Abram (15 Spiele, 43 Tore) und Yury Pishchukhin (19 Spiele, 28 Tore), laut Coach mindestens mit Oberliga-Format, waren oft angeschlagen oder wegen Verletzungen gar nicht dabei. Ihre Qualität fehlte definitiv. Hin und wieder half – wie beim Saisonabschluss in Haren – sogar der 44-jährige Routinier Tomas Lenkevicius aus.
Der Rückraum: Das Spiel in Haren lieferte erneut einen deutlichen Beweis. „Fünf, sechs Tore aus dem Rückraum – das reicht einfach nicht“, seufzte Trainer Thiemann. Da dürfen sich alle angesprochen fühlen, die dort spielten. Etwa Stefan Beljic – ein Handballer mit Gardemaß, der aber viel zu selten zulangte (43 Tore in 21 Spielen).
Geplant war laut Thiemann, Michael Romanov (Pass liegt noch bei der HSG) für die entscheidende Saisonphase aus Russland zu holen. Doch dann begann der Krieg – und der Top-Mann für den Rückraum „kam nicht mehr raus aus seinem Heimatland“ (Thiemann).
Die Unentschieden: Sieben Remis sind absolute Liga-Spitze und belegen, dass den Löwen in engen Spielen oft der entscheidende Punch misslang. „Viel zu viele“, ächzt Thiemann und ergänzt mit Blick auf die Haren-Niederlage: „Es zog sich durch die gesamte Saison. Wir kämpfen gut, versäumen es aber, uns abzusetzen. Das ist leichtfertig.“
Sein Vater Heiner Thiemann, der die Trainerbank endgültig verlassen (wir berichteten) und sich bei der HSG künftig eher im Hintergrund halten wird, pflichtet bei: „Ich bin kein großer Philosoph, aber ich finde: Die aktuelle Situation ist eine gute Möglichkeit zur Konsolidierung.“
Junge Kräfte sollen mehr Einsatzzeit bekommen
Schon im Winter sei deshalb damit begonnen worden, die Jugendmannschaften der Spielgemeinschaft aus der ehemaligen HSG Barnstorf/Diepholz, dem TuS Wagenfeld und dem TSV Wetschen „mit Leben zu füllen“. Damit die Nachwuchsprobleme künftig nicht mehr so groß sind. „Die Jüngeren stärker heranzuführen, ist ein System, das wir etablieben wollen“, sagt Lasse Thiemann. Zu mehr Einsatzzeiten werden dann vermutlich auch einige junge Kräfte aus dem aktuellen Kader kommen. Luis Lengauer etwa. Oder Max Wiese. Oder Silas Steinke. Und vielleicht stoßen auch noch ein paar Spieler aus der „Zweiten“ dazu, die gerade aus der Verbandsliga abgestiegen ist. Wie genau die beiden Mannschaften in Zukunft aussehen, soll noch diskutiert werden.
„Er hatte Angebote, wird aber weiter für uns spielen.“
Freilich funktioniert dieses geplante Umkrempeln nicht in ein paar Wochen oder Monaten. Und es geht in der „Ersten“ fortan nicht nur mit Talenten. Ein paar „ausgewachsene Löwen“ braucht die Mannschaft weiterhin. Da trifft es sich gut, dass Spielgestalter Marko Pernar – mit 153 Toren bester HSG-Schütze der Saison, aktuell zweitbester der Liga und meistens auch auffälligster Spieler – trotz des Sturzes in die Verbandsliga bleibt. „Er hatte Angebote, wird aber weiter für uns spielen“, verkündet Heiner Thiemann. Abwehr-Spezialist Dennis Wulf hat ebenfalls sein Ja-Wort gegeben, schon vor dem besiegelten Abstieg.
Heiner Thiemann zu seiner Erwartung in der Verbandsliga
Weitere Personalentscheidungen – wie auch die, wer neuer Trainer wird – dürften demnächst folgen. Und dann, da sind sich die beiden Thiemanns einig, „werden wir eine schlagkräftige Mannschaft haben“. Den direkten Wiederaufstieg in die Oberliga als Ziel auszugeben, liegt Heiner Thiemann aber fern. Seine Erwartung: Die Löwen sollen in der niedrigeren Klasse möglichst „oben mitspielen“.
Der Umbruch wird dauern und er kommt zu spät – Ein Kommentar von Malte Rehnert
Die Erste? Abgestiegen! Die Zweite? Abgestiegen! Für die Männer-Mannschaften der HSG Hunte-Aue Löwen war die Saison 2021/22 total ernüchternd. Positives gab es eigentlich nur vom Damen-Team zu berichten, das in die Oberliga hochrauschte.
Ansonsten, muss man klar sagen, hat sich der Zusammenschluss zur Spielgemeinschaft im Südkreis bisher nicht ausgezahlt. Die Handball-Allianz, geschlossen im Sommer 2020, brachte zumindest im Erwachsenenbereich nicht den erhofften Aufschwung.
Die männlichen Löwen, bisher Vorzeigemannschaft und Handball-Aushängeschild der Region, kämpften seit einigen Jahren nur noch gegen den Abstieg. Sie haben es schlichtweg verpasst, sich früher besser aufzustellen. Und breiter. Und jünger. Und schlagkräftiger. Jetzt zahlen sie mit dem historischen Abstieg aus der Oberliga einen hohen Preis dafür. Es ist der Tiefpunkt – und ein Jammer.
Ob es schnell wieder hochgeht? Fraglich! Der notwendige Umbruch – mehr Fokus auf die eigenen Talente, weniger gestandene Zugänge von außerhalb, neuer Wind auf der Trainerbank – wird dauern. Vermutlich Jahre. Die Löwen brauchen Geduld.