Diepholz – Wieder einmal in dieser Corona-Krise klaffen Wunschdenken des Handball-Verbands Niedersachsen (HVN) und die Wirklichkeit an der Basis weit auseinander. Bereits Mitte Dezember hatte das HVN-Präsidium erklärt, „nach den Weihnachtsferien den Spielbetrieb im gesamten Verbandsgebiet“ wieder aufzunehmen. Doch die Realität sieht anders aus – zumindest beim Oberligisten HSG Hunte-Aue Löwen. Nachdem dort am Mittwoch das Ergebnis eines PCR-Tests einen positiven Befund im Team bestätigt hatte, sah sich Trainer Heiner Thiemann mit Blick auf die für Freitagabend gegen den TuS Haren geplante Heimpartie zum Handeln gezwungen: „Wir spielen auf keinen Fall, denn wir werden nichts riskieren“, stellte der HSG-Coach klar: „Es geht um die Gesundheit der Spieler auf beiden Seiten und ihres familiären und beruflichen Umfelds. Das ist eine Frage des gesunden Menschenverstands. Denn hier liegt jetzt eine klare Diagnose vor.“

Alle im Kader längst „geboostert“

Darüber wollte er die Verantwortlichen aus Haren und die Entscheider des HVN unterrichten. „Ich weiß nicht, wie sie reagieren, aber ich hoffe, jeder kann unsere Entscheidung nachvollziehen. Wir sind auch bereit, bei einem Nachholtermin notfalls samstags und sonntags hintereinander zu spielen.“

Der Fall der HSG zeigt, dass sich zurzeit niemand sicher sein darf. Schon lange sind alle Löwen „geboostert“, haben also ihre dritte Corona-Schutzimpfung erhalten. Ihr letzter Pflichtspiel-Auftritt liegt nun fast sieben Wochen zurück – am 26. November unterlagen sie der HSG Nienburg mit 31:32. Bis Weihnachten trainierten sie normal weiter, sofern davon unter den strengen Vorkehrungen überhaupt die Rede sein kann. Vorige Woche nahmen die Akteure dann wieder die Einheiten nach der kurzen Feiertags-Pause auf. Für Sonntag war ein Testspiel geplant, das allerdings wegen eines Corona-Falls beim Gegner ausfiel. Stattdessen gab’s Training, „und am Montag bekam ich von einem Spieler die Nachricht, dass sein Schnelltest positiv ausgefallen war“, berichtet Thiemann. Folglich sagte er alle weiteren Übungsabende ab, am Mittwoch lag der ebenfalls positive PCR-Test des Betroffenen vor.

Nun dürfte es noch einige Tage dauern, bis der Erkrankte und sein Club überhaupt wissen, um welche Virus-Form es sich handelt. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit die Infektion mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante.

Nach dem nun abgesagten Duell gegen die nur einen Platz schlechter postierten Emsländer hätte der Tabellenzehnte nach jetzigem Stand am nächsten Freitag, 21. Januar, sein nächstes Heimspiel. Dann wäre die HSG Schwanewede/Neuenkirchen in der Diepholzer Mühlenkamphalle zu Gast. Doch von einer angemessenen Vorbereitung auf dieses Duell kann angesichts des ausgesetzten Trainings zurzeit keine Rede sein.

 

Kommentar: Umsichtige Löwen, kurzsichtiger Verband

VON CORD KRÜGER

Welch ein bizarres Bild! Die Corona-Zahlen schnellen täglich in neue Rekordhöhen, Rettungsdienste stricken Notfallpläne, Firmen verzweifeln an Quarantäne-Fällen, Familien ängstigen sich um ihre Kinder in Tagesstätten und Schulen. Doch der Handball-Verband Niedersachsen (HVN) verkündete schon vor vier Wochen, ab Januar trotz der unkontrollierbaren Lage weiterzuspielen. Wie passt das zusammen? Gar nicht!

Jetzt hat es die HSG Hunte-Aue Löwen mit einem Corona-Patienten erwischt – obwohl alle im Kader längst ihre dritte Impfung intus haben. Trotzdem kam das kaum überraschend, denn Omikron schert sich offenbar wenig um Dreifach-Schutz.

Fraglich, welcher Spieler es angesichts dieser Gefahr schafft, sich voll zu fokussieren. Oder welcher Fan sich völlig unbeschwert zwei Stunden lang Hallensport ansehen kann. Die Entscheidung der HSG, das Spiel gegen Haren trotz des „nur“ einen Falls abzusagen, war die einzig vernünftige.

Die Verantwortung dafür hatte der Verband seinen Clubs ohnehin schon vorher zugeschoben. Sie müssten ja nicht spielen, so der Tenor, denn „kurzfristige Verlegungen sind für die Vereine nach wie vor kostenlos möglich“, teilte der HVN lediglich mit.

Dabei wäre es an der Zeit, dass die Verbands-Vorderen die Serie erneut unterbrechen – noch vor weiteren, kleckerweise eintrudelnden Spielabsagen und überall aufploppenden Corona- oder Quarantänefällen. Der sportliche Aspekt mit andernfalls „krummen“ und kaum noch aussagekräftigen Tabellen ist da noch das geringste Problem. Wichtiger wäre der Schutz aller Aktiven, Schiedsrichter, ehrenamtlichen Helfer und Fans in den Hallen.