Quelle: Kreiszeitung vom 27.4.22 (Malte Rehnert)

Wie bewertet er den Erfolg? Wie sieht der Kader in der kommenden Saison aus? Und macht er weiter? Trainer Mario Mohrland spricht nach der errungenen Meisterschaft mit den Landesliga-Handballerinnen der HSG Hunte-Aue Löwen im Interview über den Aufstieg, den Kader und die Oberliga.

Diepholz – Als Meister rauf in die Oberliga! Dieses große Ziel haben die Landesliga-Handballerinnen der HSG Hunte-Aue Löwen schon zwei Spieltage vor Schluss erreicht – in eindrucksvoller Manier und mit aktuell 30:2 Punkten. Trainer Mario Mohrland, der das Team gemeinsam mit Klaus Klostermann betreut, kann sich nicht erinnern, „dass die weibliche HSG schon mal so hoch gespielt hat“. Im Interview blickt der 45-jährige Berufsschullehrer zurück auf die fast beendete Supersaison – und voraus auf das Abenteuer in der neuen Liga. Mohrland spricht auch über den Kader, seine eigene Zukunft und verrät, was für außergewöhnliche Meistergeschenke seine Spielerinnen bekommen haben.

Beginnen wir mit einem kleinen Rätsel: Was sagt Ihnen die Zahl 36,19?

Puh, keine Ahnung. Sind es unsere durchschnittlich pro Spiel geworfenen Tore?

Exakt! Und dieser Wert veranschaulicht, mit welcher Dominanz die Löwinnen die Saison bestreiten. Haben Sie solch einen Durchmarsch erwartet?

Grundsätzlich habe ich es mir eine Nummer schwerer vorgestellt und gedacht, dass die Liga ausgeglichener ist. Bei unserer Kaderzusammenstellung haben Außenstehende sicher gesagt: ,Wenn ihr da nicht souverän durchgeht, habt ihr etwas falsch gemacht.‘ Man hätte uns vorwerfen können, dass wir es nicht geschafft haben, daraus eine Mannschaft zu formen. Das kommt ja vor, wenn man viele starke Individualisten dabei hat.

Viel falsch haben Sie – beim Blick auf die Tabelle – jedoch nicht gemacht.

Wir haben es hingekriegt, auch wenn es sicherlich mal Dissonanzen gegeben hat. Doch die gehören dazu. Wenn zum Beispiel Spielerinnen monieren, zu wenig Spielzeit zu bekommen. Es ist uns gelungen, das an allen Stellen ganz gut zu moderieren. Es war ingesamt sehr harmonisch.

Burg Gretesch hat der HSG mit dem 31:27 im März eine perfekte Saison ohne Niederlage versaut. Wie sehr wurmt Sie das?

Es ist schade, keine Frage. Je dichter wir dem Zu-zwei-Endergebnis kommen, umso ärgerlicher wird es. Es tat und tut schon weh, weil man nicht oft die Chance hat, ungeschlagen durch eine Saison zu kommen.

Ihre Mannschaft hat, von diesem Ausrutscher abgesehen, viele klare Siege eingefahren und den Aufstieg vorzeitig eingetütet. Wie stolz sind Sie?

Unglaublich stolz! Wir sind im August in den Harz gefahren, haben den Brocken bezwungen. Dort haben wir gesagt, wir arbeiten an dem Unternehmen Gipfelsturm. Alle haben es angenommen und ernten jetzt die Früchte – wegen Corona und den abgebrochenen Saisons sind es gefühlt sogar drei Jahre Arbeit. Dieser Erfolg jetzt war notwendig. Sonst wär’s schwierig geworden, den Laden zusammenzuhalten.

Hat etwas oder jemand Sie besonders beeindruckt?

Ich kann nicht sagen, dass es ultimativ die eine Spielerin gewesen ist. Es war schön zu sehen, wie Spielerinnen weiter gewachsen sind oder eine andere Rolle eingenommen haben. Karla Witte hat zum Beispiel in den ersten zwei, drei Spielen relativ wenige Tore geworfen. Und alle Welt fragte sich: Wie findet sie sich mit dem hohen Anspruchsdenken zurecht? Jetzt führt sie die Torschützenliste der Mannschaft und sogar der gesamten Landesliga an (109 Tore in 15 Spielen, d. Red.). Und Kim Klostermann hat überall gespielt außer im Tor und es immer super gemacht, ohne zu murren. Sie hat sich voll in den Dienst der Mannschaft gestellt. Was herausragt, ist, dass man sich bei all der individuellen Klasse als Team zusammengerauft hat.

Linksaußen Carla Klostermann und Torhüterin Svenja Gatzemeier hören auf. Wie groß sind die Lücken, die sie reißen?

Sehr groß! Carla war über Jahre das Gesicht der weiblichen HSG. Svenja hatte zwar nicht so viele Spielanteile, aber sie ist so etwas wie das gute, stille Gewissen der Mannschaft. Ihre Art, Sachen auch mal anders zu sehen und die Mannschaft zu beruhigen, werde ich vermissen.

Beide Positionen wurden mit Laura Winkler (Torhüterin vom klassentieferen TuS Lemförde) und Madeline Matos Ferreira (Linksaußen vom klassenhöheren Oberligisten GW Mühlen) bereits neu besetzt. Ihre ersten Eindrücke?

Wir haben ortsnahe Möglichkeiten gesucht und sind sehr glücklich, dass es zweimal geklappt hat. Laura wird sich sicher noch etwas umgewöhnen müssen. Aber da sind wir guter Dinge, sie hat vielversprechende Ansätze. Und Madeline hat sich in ihrer Oberliga-Zeit in Mühlen zu einer Führungsspielerin entwickelt. Carlas Fußstapfen sind riesig, aber ich traue ihr eine ganze Menge zu. Sie soll es auf ihre Art machen, wir wollen keine Vergleiche ziehen.

Kommt in den Kader noch mehr Bewegung?

Eher nicht, wir sind eigentlich durch mit den Planungen. Wenn sich nicht noch etwas Überraschendes ergibt. Unsere Tür steht offen.

Der Rest der aktuellen Mannschaft bleibt demnach?

Soweit ich es überblicken kann, ja.

Und Sie selbst?

Natürlich habe ich große Lust, weiter mit diesem Kader zu arbeiten. Ich bin mir aber noch nicht 100-prozentig im Klaren – und ich glaube, bei Klaus ist es genauso. Mehr Kilometer, mehr Aufwand, womöglich eine dritte Trainingseinheit: Da muss ich gucken, wie ich es unter einen Hut kriege. Gespräche mit Vereins-Verantwortlichen gab es noch nicht.

Wenn Sie bleiben, trainieren Sie ein Oberliga-Team. Was kommt auf die HSG zu?

Ganz neue Belastungen in vielen Bereichen. Die andere Ligagröße, teilweise erheblich weitere Fahrten. Und dann die Klassiker: Es wird eine andere Form der Härte und der Geschwindigkeit geben – und weniger Fehler. Diese Baustellen muss man unter Kontrolle bringen.

Was ist für die Löwinnen in der neuen Liga möglich?

Verschiedene Trainer trauen uns diesen riesigen Schritt durchaus zu. Wir haben gute Freundschaftsspiele gegen Oberligisten gehabt. Ich glaube, wir können da mithalten. Euphorie mitnehmen und den Klassenerhalt schnell perfekt machen – das sind die ersten, groben Ziele.

Ihre Mannschaft kennt fast keine Rückschläge, nun wird es vermutlich mehr als eine Niederlage geben. Eine Gefahr?

Damit kann die Mannschaft umgehen, denke ich. Je schneller man in der Liga ankommt, umso leichter wird es. Unser Kader birgt ein gewisses Risiko, weil noch nicht viele Spielerinnen Oberliga-Luft geschnuppert haben. Andererseits haben wir Trümpfe wie etwa Kristina Logvin oder Lea Hillmer.

Die männlichen Löwen kämpfen in der Oberliga erneut um den Klassenerhalt, die weiblichen sorgen für positive Schlagzeilen. Werden sie das neue Flaggschiff des Vereins?

Das ist nicht unser Ansinnen. Wir wollen im Rahmen eines guten Vereinslebens miteinander funktionieren. Ich glaube auch, es würde dauern, bis sich der Fokus verschiebt. Es geht uns vielmehr um den Handball in der Region – je höher eine Mannschaft spielt, umso attraktiver ist es doch.

Zum Abschluss muss noch die Frage geklärt werden, was in den Geschenken drin war, die der Verein nach dem letzten Heimspiel gegen Osterfeine (45:19) verteilt hat.

Hula-Hoop-Reifen für jede Spielerin. Damit können wir sie ewig binden (lacht). Vielleicht baue ich die Reifen auch mal ins Training ein, für so etwas bin ich immer zu haben – nur mit dem Vormachen wird’s schwierig . . .